Diensterfindungen auf Führungsebene: Was Geschäftsführer und Vorstände rechtlich beachten müssen

Innovationen entstehen nicht nur in Laboren und Entwicklungsabteilungen, sondern zunehmend auch in den Führungsetagen von Unternehmen. Gerade bei Diensterfindungen durch Geschäftsführer und Vorstände treffen kreative Schöpfung und komplexe Rechtsfragen aufeinander. Wer gehört zur Gruppe der „arbeitnehmerähnlichen Erfinder“? Welche Ansprüche auf Vergütung und Rechte zur Erfindung bestehen?
In Zeiten schneller technologischer Transformation sollten Finanzinstitute, Unternehmen und Start-ups ein strategisches Erfindungsmanagement auf C-Level etablieren. Nur so lassen sich Innovationskraft und Rechtssicherheit nachhaltig sichern.

Diensterfindungen durch Geschäftsführer und Vorstände – Rechtliche Situation und wichtige Urteile

Anwendbarkeit des Arbeitnehmererfindungsgesetzes

Geschäftsführer einer GmbH und Vorstandsmitglieder einer AG befinden sich bezüglich technischer Erfindungen, die sie im Rahmen ihrer Tätigkeit tätigen, in einer besonderen rechtlichen Position.

Anders als Arbeitnehmer fallen sie nicht unter die Bestimmungen des Gesetzes über Arbeitnehmererfindungen (ArbEG). Daraus ergeben sich spezifische Regelungen und Herausforderungen hinsichtlich der Übertragung und Vergütung ihrer Erfindungen.

Grundsätzlich regelt das ArbEG nur die Erfindungen von Arbeitnehmern (§ 1 ArbEG). Dazu gehören ausdrücklich Beschäftigte im privaten und öffentlichen Dienst, sowie Beamte und Soldaten. Geschäftsführer und Vorstände nehmen hierbei jedoch eine Sonderrolle ein:

  • Geschäftsführer und Vorstände gelten regelmäßig nicht als Arbeitnehmer, da sie in der Regel als Organmitglieder einer Gesellschaft tätig sind und nicht im arbeitsrechtlichen Sinne weisungsabhängig arbeiten.

  • Damit entfällt die direkte Anwendbarkeit des ArbEG auf diesen Personenkreis.

Individuelle Vertragsgestaltung

Da Geschäftsführer und Vorstände nicht dem Schutz des ArbEG unterliegen, ist für sie eine klare und individuelle Vertragsgestaltung besonders entscheidend. Häufig werden in Dienst- oder Gesellschaftsverträgen detaillierte Regelungen bezüglich Erfindungen getroffen, die während der Amtszeit entstehen. Typische Klauseln sind hierbei:

  • Übertragungsverpflichtung: Hier verpflichtet sich der Geschäftsführer oder Vorstand, zukünftig entstehende Erfindungen an die Gesellschaft zu übertragen. Eine solche Übertragung erfordert jedoch jeweils einen zusätzlichen Übertragungsakt.

  • Vorausverfügung (Vorwegabtretung): Die Rechte an zukünftigen Erfindungen gehen automatisch auf das Unternehmen über, sobald die Erfindung gemacht wird. Diese Klausel ist weit verbreitet und schafft rechtliche Klarheit, da keine separate Übertragung mehr nötig ist.

Gerade bei technischen Aufgabenbereichen ist eine explizite Vereinbarung im Vertrag dringend zu empfehlen, um rechtliche Klarheit und Transparenz zu schaffen.

Vergütung von Diensterfindungen bei Geschäftsführern und Vorständen

Auch wenn das ArbEG nicht direkt anwendbar ist, so können Geschäftsführer und Vorstände eine Vergütung für ihre Erfindungen beanspruchen, wenn dies explizit vereinbart wurde. Mangels gesetzlicher Vorgaben ist eine vertragliche Regelung zur Vergütung ratsam. Hierbei können analog die Grundsätze der Richtlinien für die Vergütung von Arbeitnehmererfindungen im privaten Dienst angewendet werden. Typische Vergütungsmodelle umfassen:

  • Lizenzanalogie: Bemessung der Vergütung anhand marktüblicher Lizenzsätze.

  • Unternehmensbezogene Methode: Berücksichtigung des wirtschaftlichen Vorteils, der dem Unternehmen durch die Erfindung entsteht.

  • Pauschalvergütung: Festlegung einer fixen Vergütung, vor allem bei kleineren oder weniger bedeutenden Erfindungen.

Relevante Urteile und aktuelle Rechtsprechung

Die Rechtsprechung liefert wichtige Orientierung für die Behandlung von Erfindungen durch Geschäftsführer und Vorstände. Insbesondere folgende Urteile sind von zentraler Bedeutung:

OLG Frankfurt, Urteil vom 13.04.2017 – Az. 6 U 69/16

  • Sachverhalt: Ein CTO hatte Patente und Gebrauchsmuster privat angemeldet, obwohl er dafür Unternehmensressourcen genutzt und diese innerhalb seiner vertraglich geschuldeten Tätigkeit entwickelt hatte.

  • Entscheidung: Das Gericht stellte fest, dass die Erfindungen aufgrund der Nutzung betrieblicher Ressourcen und des vertraglich festgelegten Tätigkeitsbereichs der Gesellschaft zustanden. Der CTO musste die Rechte übertragen.

  • Bedeutung: Dieses Urteil verdeutlicht, wie entscheidend die klare vertragliche Regelung sowie die Nutzung unternehmenseigener Ressourcen sind. Geschäftsführer und Vorstände unterliegen einer umfassenden Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft.

BGH, Entscheidung vom 04.12.2012 („Geschäftschancenlehre“)

  • Sachverhalt und Entscheidung: Der Bundesgerichtshof stellte klar, dass Geschäftsführer einer GmbH verpflichtet sind, Geschäftschancen, die in den Geschäftsbereich der Gesellschaft fallen, nicht privat, sondern nur zugunsten der Gesellschaft zu nutzen.

  • Bedeutung: Die Entscheidung bestätigt eine weitreichende Treuepflicht für Geschäftsführer und Vorstände und stärkt den Grundsatz, dass im beruflichen Umfeld entstandene Chancen und Erfindungen grundsätzlich dem Unternehmen zustehen.

OLG München, Urteil vom 27.02.2020 – Az. 6 U 1607/19

  • Sachverhalt: In einem Einzelfall wurde untersucht, ob ein Geschäftsführer trotz Organstellung arbeitnehmerähnlich tätig war.

  • Entscheidung: Das Gericht bestätigte, dass unter bestimmten Voraussetzungen (enge betriebliche Einbindung, Weisungsabhängigkeit) ein Geschäftsführer als Arbeitnehmer im Sinne des ArbEG gelten kann.

  • Bedeutung: Dieses Urteil zeigt, dass in Einzelfällen auch eine abweichende Beurteilung möglich ist. Die konkrete Vertragsgestaltung und tatsächliche Arbeitsweise sind daher stets zu berücksichtigen.

Empfohlene Vorgehensweise

Um Streitigkeiten zu vermeiden und rechtliche Sicherheit herzustellen, sollten folgende Maßnahmen ergriffen werden:

  • Klare Vertragsgestaltung: Dienst- oder Gesellschaftsverträge sollten explizit Regelungen zu Erfindungen enthalten, insbesondere in technisch geprägten Führungspositionen.

  • Frühzeitige Meldung: Erfindungen sollten unverzüglich schriftlich gemeldet werden, um die Zuordnung und spätere Nutzung eindeutig zu regeln.

  • Sorgfältige Dokumentation: Der Entwicklungsprozess von Erfindungen sollte gut dokumentiert werden, um im Falle von Auseinandersetzungen Nachweise liefern zu können.

  • Klärung der Vergütung: Von Beginn an sollte eine angemessene Vergütung geregelt und festgelegt werden.

Zusammenfassung der wichtigsten Punkte

  • Geschäftsführer und Vorstände fallen nicht unter das ArbEG, da sie keine Arbeitnehmer im rechtlichen Sinne sind.

  • Verpflichtungen zur Übertragung von Erfindungen beruhen auf individuellen vertraglichen Vereinbarungen.

  • Klare Vorausverfügungen in Verträgen helfen, spätere Streitigkeiten zu vermeiden.

  • Die Rechtsprechung hebt die Bedeutung vertraglicher Regelungen, Treuepflicht und Nutzung betrieblicher Ressourcen hervor.

  • Transparenz, frühzeitige Klärung und sorgfältige Dokumentation sichern langfristig ein innovatives und konfliktfreies Umfeld.

Weiterführende Quellen und Urteile (mit Links)

Dieser Artikel bietet umfassende Orientierung für Geschäftsführer und Vorstände hinsichtlich ihrer rechtlichen Pflichten und Möglichkeiten im Umgang mit Diensterfindungen.

Das Wichtigste – kurz zusammengefasst

Das Arbeitnehmererfindungsgesetz (ArbEG) findet auf Geschäftsführer und Vorstände keine Anwendung, da diese nicht als Arbeitnehmer im Sinne des Gesetzes gelten. Stattdessen regeln individuelle Verträge und die Rechtsprechung die Zuordnung von Erfindungsrechten. Diese Zusammenfassung erläutert die rechtlichen Grundlagen, zentrale Gerichtsentscheidungen und gibt praktische Handlungsempfehlungen.

Gemäß § 1 ArbEG gilt das Gesetz ausschließlich für Arbeitnehmer, Beamte und Soldaten. Geschäftsführer einer GmbH oder Vorstandsmitglieder einer AG sind als Organmitglieder juristischer Personen explizit ausgenommen.

  • Abgrenzung zum Arbeitnehmerstatus: Organmitglieder üben keine weisungsgebundene Tätigkeit aus, sondern leiten eigenverantwortlich die Gesellschaft. Diese Stellung begründet ihre Sonderrolle im Rechtssystem.

  • Fehlende gesetzliche Regelung: Da das ArbEG nicht greift, entscheiden Dienst- oder Gesellschaftsverträge über die Rechte an Erfindungen. Fehlen solche Klauseln, kommen Grundsätze der ergänzenden Vertragsauslegung oder Treuepflichten zum Tragen.

Vertragliche Gestaltungsmöglichkeiten

Um Rechtsunsicherheiten zu vermeiden, sollten Verträge klare Regelungen enthalten:

Klauseltyp Wirkung
Vorausverfügung Automatische Übertragung der Erfindungsrechte bei Entstehung
Übertragungspflicht Verpflichtung zur nachträglichen Rechteübertragung
Vergütungsregelung Festlegung, ob und wie Erfindervergütungen gezahlt werden

Beispielformulierung für Anstellungsverträge:
„Der Geschäftsführer verpflichtet sich, alle im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit entstandenen Erfindungen unentgeltlich auf die Gesellschaft zu übertragen.“

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